Über Madeleine Ruoff schrieb der Herrschinger Heimatpfleger Gustl Empfenzeder in den „Herrschinger Heften“: „Die verdienstvolle Herrschinger Bürgerin wurde am 16. Oktober 1887 in Wilmington im Staate Delaware als Tochter des Bankiers und Papierfabrikanten Alfred du Pont geboren. Die Vorfahren, französische Refugees, gingen ins freiheitliche Amerika und wurden dort eine große, hochangesehene amerikanische Familie, in dessen Händen die Nylon-Industrie lag. Seit 1911 lebte Frau Ruoff in Deutschland, heiratete in 2. Ehe den Ingenieur Hiebler und in 3. Ehe Hermann Ruoff. Von 1923 bis 1946 wohnte sie als Amerikanerin in Deutschland, machte die schweren Jahre des Krieges und die Not der Nachkriegszeit mit. Sie stiftete den Herrschinger Kindergarten, intervenierte bei den Besatzungsmächten für Herrsching. Der Gemeinderat Herrsching verlieh ihr im Juli 1961 einstimmig die goldene Bürgermedaille. Am 24. Juni 1964 starb sie in München und wurde auf dem Herrschinger Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Ihre Liebe zu Deutschland, zu Bayern und zu Herrsching hat sie – selbst in schwersten Zeiten – nie verleugnet.“ Am 26. Juli 1967 beschloss der Herrschinger Gemeinderat, die Keramische Straße von der Kienbachbrücke bis zur Riederstraße ihr zu Ehren in „Madeleine-Ruoff-Straße“ umzubenennen.
Heute hat sich der Blick auf die Geschichte verändert. Die Gemeindearchivarin Dr. Friedrike Hellerer stieß bei ihren Recherchen auf folgende Details:
Madeleine Ruoff entstammte der reichen und in Amerika bis heute mächtigen DuPont-Dynastie, die im 19. Jahrhundert viel Geld mit der Produktion und dem Verkauf von Dynamit verdient hatte.* Ihre erste Ehe in Amerika war sie gegen den Willen des Vaters eingegangen. Nach der Scheidung zog sie nach Europa und heiratete erneut. Ihre drei Söhne wuchsen unter anderem in Herrsching auf.
Madeleine Ruoff hatte mehrere Immobilien in der Gemeinde. 1939 überlies sie das Gebäude in der damaligen Fritz-Reinhardt-Straße, der heutigen Seestraße, der NSV (nationalsozialistische Volkswohlfahrt) als Kindergarten und schenkte es im folgenden Jahr der Gemeinde. Ihr weiteres Haus an der Seepromenade stellte sie ebenfalls der NSV zur Verfügung. Es diente für drei Jahre als „Müttergenesungsheim“.
Madeleine Ruoff und ihr Mann erwarben während des Krieges mehrere Immobilien. 1948, nach dem Ende des 2. Weltkriegs, kam es zu einem „Wiedergutmachungsprozess“.
Dem Ehepaar Ruoff wurde vorgeworfen, sich an arisierten Immobilien bereichert zu haben. Es ging vor allem um zwei Münchner Immobilien der Familie von Dr. Franz Philbert Löwenfeld. Deren Anwalt schrieb am 03. März 1949: „Die Ehefrau Ruoff war Amerikanerin. Nach Beendigung des Polenfeldzuges entschloss sie sich, sehr erhebliche Dollarbeträge nach Deutschland zu transferieren und suchte hier Kapitalanlagen. Da das Reich außerordentlich devisenarm war, wurden ihr günstige Dollarumrechnungsbeträge bewilligt.“
In einem späteren Schreiben des Anwalts vom 18. Juli 1949 heißt es: „Im Jahre 1940 stammte das geringe, damals vorhandene Immobilienangebot ausschließlich von Eigentümern, welche auf Grund der Arisierungsgesetze zum Verkauf gezwungen waren.“
Im gesamten Wiedergutmachungsverfahren wurde von Seiten der Eheleute Ruoff versucht, sowohl den Kauf als Wunsch, Löwenfeld „zur Auswanderung zu verhelfen“ darzustellen als auch zu bestreiten, Löwenfeld sei zum Verkauf gezwungen gewesen. Eigentlich sei der Kauf aus Freundlichkeit gegenüber der Familie Löwenfeld zu Stande gekommen. Im Jahr 1953 wurde ein Vergleich geschlossen, der die Nichtigkeit des Vertrags von 1940 erklärte, das Gebäude in der Isabellastraße den Nachkommen Löwenfeld zuschrieb und deren Verzicht auf das (zerbombte) Gebäude in der Ainmillerstraße dokumentierte.
Die Umbenennung der Keramischen Straße in „Madeleine-Ruoff-Straße“ geschah während der 2. Amtszeit Ludwig Schertels als Bürgermeister der Gemeinde Herrsching. Schertel war schon in den Jahren 1937 bis 1945 Bürgermeister gewesen und hatte einen guten Kontakt zu Madeleine Ruoff gepflegt. Er hatte auch die Verleihung der neugeschaffenen Bürgermedaille an sie initiiert.
*Nähere Einzelheiten zur Rolle des DuPont-Konzerns, der im Übrigen mit Blaukreuz Geld verdiente, während des Zweiten Weltkriegs siehe: „Der Spion vom Pariser Platz“ - im Internet aufrufbar.